Ulrich Brand (Professor für Internationale Politik, Universität Wien)
Josef Obermoser (Crossroads, Forum Stadtpark)
Ressourcen-Extraktivismus in Lateinamerika: Konflikte und Alternativen
Die "reprimarización" (Rückkehr zum Modell der Ressourcenextraktion) in Lateinamerika ist eine Folge der neoliberalen De-Industrialisierung, die zu einer spezifischen Integration der Länder in die internationale Arbeitsteilung führt. Seit einigen Jahren wird zum Verständnis dieser Konstellation der Begriff des Extraktivismus verwendet. Auch die progressiven Regierungen treiben die immer intensivere Ressourcenausbeutung voran, was in der Literatur als "lateinamerikanische Paradoxie" bezeichnet wird: Verteilungsspielräume wachsen durch zunehmende Naturausbeutung.
Extraktivismus ist die sozio-ökonomische, kulturelle und politische Bedingung, um einen grünen Kapitalismus in Europa und anderswo voranzutreiben: Lithium - schätzungsweise die Hälfte der weltweiten Vorkommen liegen in Bolivien - als Bestandteil von Elektromotoren und der Anbau von Zuckerrohr und Soja für Agrartreibstoffe sind die prominentesten Beispiele. Gleichzeitig gibt es Diskussionen und konkrete Strategien hin zu einem Post-Extraktivismus, d.h. Ansätze, um diese Konstellation strategisch und ganz praktisch zu hinterfragen. Damit möchte ich zeigen, dass die Gesellschaften des globalen Südens nicht nur Orte der Ausbeutung sind, sondern auch von Alternativen und Widerstand. Auch diese sollen exemplarisch und knapp dargestellt werden und eher ausblickend gefragt, inwieweit sich diese Diskussion mit jenen um Post-Wachstum in Europa verbinden lässt.